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Kapitel 8. Ritter Doso und das Ende des Hochmittelalters

n den Holsteinischen Harriedörfern wusste man noch vor rund fünfzig Jahren zu berichten, dass im 13. Jahrhundert am Bach Dosenbek ein Ritter namens Dozo gelebt haben soll.

 Der Wohnort dieses Ritters könnte sich auf dem Blocksberg südlich vom Dosenmoor befunden haben. Zumindest gab es der Sage nach auf einem Hügel namens Blocksberg eine Burg, die von einem viereckigen Graben umschlossenen gewesen sein soll.(1)

die Brücke heute Wer sich heute auf dem Blocksberg befindet und die nächste natürliche Wasserstelle sucht, kommt automatisch an die Brücke des Großharrier Weg, die über den Bach Dosenbek führt. Noch heute existiert an dieser Stelle eine Grenze, nämlich die zwischen Neumünster und dem Kreis Plön mit den entsprechenden Hinweisschildern und Wappen. Im Hochmittelalter war Neumünster das Zentrum der Holsten und die Burg Plön bis zu ihrer Zerstörung im Jahr 1139 Sitz der slawischen Wagrierfürsten.(2) Etwa im Bereich des Blocksberg befand sich Mitte des 12. Jahrhunderts der östlichste Punkt des Verwaltungs- und Verteidigungsbezirks des Boden Daso.

 Für Ritter Dozo wird dieser Ort von weit weniger strategischer Bedeutung gewesen sein, weil im 13. Jahrhundert die Ostgrenze Holsteins sehr viel weiter östlich lag. Doch wer war dieser Ritter Dozo überhaupt?

 Weil der Bach Dosenbek mundartlich Doznbeg ausgesprochen wurde, kann davon ausgegangen werden, dass der gesuchte Ritter Dozo ebenfalls mit "s" also Doso geschrieben wurde. Für das 13. Jahrhundert ist in den historischen Urkunden nur eine Person aufzufinden, die Doso hieß, keinen Beinamen trug und zu den einfachen Rittern (milites) gehörte. Über diesen Ritter Doso ist nicht viel bekannt und ob er am Dosenbek lebte nicht belegt. Er war vermutlich ein Sohn oder Verwandter des aus dem Jahr 1225 bekannten Ritteranführers dominus Doso.(3)

 Ritter Doso findet ausschließlich in der Zeugenliste einer Urkunde vom 5. Dezember 1262 Erwähnung. In ihr geht es um Folgendes:

Dohann, Bischof von Lübeck, vergleicht sich mit dem Ritter Otto von Plön dahingehend, dass gegen eine Zahlung von 225 Mark ersterem die Gerichtsbarkeit und die Zehnten in den Dörfern Malente, Hassendorf, Reversfelde, Neukirchen (bei Eutin), Sieversdorf, Benz, Malkwitz und Sören und die Mühle zu Malente zufallen, letzterem nur ein Drittel aus den Einkünften der Hochgerichtsbarkeit vorbehalten bleibt, zu dem er Zehnten und Gerichtsbarkeit aus den Dörfern: Fissau, Sibbersdorf, Dedelmersdorf und Gerstencamp erhält, von den Einkünften der Gerichtsbarkeit jedoch drei Viertel dem Bischof abtritt und sie von ihm zum Lehen nimmt, auch ihm alle sonstigen Ansprüche auf Hassendorf und Neukirchen überlässt, und das Gericht in dem verpfändeten Dorf Gerstencamp nach der Wiedereinlösung desselben durch den Bischof, diesem zu überlassen und von den letzten vier Dörfern Lehensfolge zu leisten sich anheischig macht. - Nouerint uniuersi.

 Zeugen: Bruno prepositus. Heiricus scolasticus. Herbordus. Gerardus. Canonici lubicenses. Marquardus dictus Rungo. Heinricus de crumesse. Hermannus de Tralowe.
milites. Doso. Marquardus de tralowe. et plures alii.
Quod sub Sigillo nostro et capituli. Ottonis predicti Rungo. fecimus communiri. Datum Lubeke in vigilia beati Nicolai. Anno Domini. Millesimo. Ducentesimo. Sexagesimo Secundo. Pontificatus nostri Anno Tercio.
"(4)

 Ritter Otto aus Plön hatte vermutlich aufgrund von Klimaschwankungen (kleine Eiszeit) und daraus resultierender Missernten erhebliche Geldprobleme. Sofern die Urkunde nicht auch eine mittelalterliche Fälschung der Kirche ist, tauschte Ritter Otto mit seinem Lehensherrn, dem Bischof von Lübeck, oben genannte Ansprüche für die Summe von 225 Mark. Lübeck war zu dieser Zeit eine sehr wohlhabende und aufstrebende Stadt mit einer ausgesprochen finanzstarken Kirche. Die alte Schicht der Bauernritter hingegen verarmte zunehmend. Dafür kam eine jüngere empor, zugewanderte Herrenritter, die von einem der drei Lehensherren in Holstein, dem Schauenburger Grafen, dem Bremer Erzbischof oder dem Lübecker Bischof mit großen Grundherrschaften ausgestattet wurden.(5) Zudem drängten reiche Bürger Lübecks ins Rittertum, denn nur wer Schwert und Wappen trug, galt etwas außerhalb der Kontore. Die alten Bauernritter waren hingegen weiterhin ständig unterwegs, um irgendwelche Angelegenheiten zu regeln.

 Es ist anzunehmen, dass Ritter Otto aus Plön den weiten Ritt nach Lübeck in Begleitung von Ritter Doso sowie einigen Knappen beziehungsweise Söhnen angetreten war. Dort angekommen haben sie gegebenenfalls bei dem an der Trawe ansässigen Ritter Marquard de tralowe übernachtet, dessen Lehensherr ebenfalls der Lübecker Bischof war. Am nächsten Tag werden sie dann alle gemeinsam nach Lübeck geritten sein.

 Auffällig sind die Namen von Ritter Ottos Begleitern. Trugen sie doch ähnliche wie einst der Overbode Marcrad und der Bode Daso. Doch Marquardus de tralowe war kein Nachfahre aus der alten Overbodenfamilie. Die Tralowes gehörten jedoch zu den alten, bekannten Bauernritterfamilien, die einst in Opposition zum Vater von Adolf IV., Graf Adolf III., standen.(6)

 Der Abt Arnold von Lübeck schildert die gespannten Verhältnisse gegenüber dem Schauenburger Grafen Adolf III. in der Periode vor dem Dänischen Großangriff auf Holstein im Jahr 1201:

Nicht minder aber erlitt Graf Adolf (III.) Anfeindungen von den Seinigen. Denn er hatte Einigen eine Geldbuße auferlegt nämlich Heinrich Busche, welchen er auch festgesetzt hatte und außerdem dem Eggo von Sturgien (Sture?) und Bruno von Tralowe. Mit diesen standen die, welche der Graf aus dem Lande verwiesen hatte ... in Verbindung. ... Jene unterließen nicht, alltäglich den Samen der Zwietracht im Lande des Grafen auszustreuen, sodass sie, als der Krieg nahe war, Manche an sich lockten, z.B., Emmele von Viscowe und Vergot von Sibrandestorp (vermutlich ein Nachfahre von Vergot Daso und ein Onkel von Ritter Doso). Diese gingen zu den Nebenbuhlern des Grafen über und begannen schon damals offene Feindschaft gegen denselben zu üben."(7)

 Über ein halbes Jahrhundert später pflegten die überlebenden Familienverbände offensichtlich weiterhin enge Kontakte. So werden Ritter Otto und Ritter Doso sowie ihre Begleiter den Heimritt mit den 225 Mark unbeschadet überstanden haben, waren sie doch mehrere. Auch kannten sie die Pest noch nicht. Sie raffte erst 86 Jahre später ein Drittel der Bevölkerung Lübecks dahin.

 Ungefährlich war das Reisen in jener Zeit jedoch nicht, trieben sich doch allerlei Räuber in der Gegend herum. Selbst eine gute Rüstung bot keinen ausreichenden Schutz mehr, weil Armbrüste immer größere Verbreitung im Land fanden. Damit verlor das Rittertum zunehmend an militärischer Bedeutung und Heere von Kriegsknechten und Söldnern entstanden.

  1. Vgl. Edgard Hermberg, Zur Geschichte des älteren holsteinischen Adels, Dissertation, Kiel, 1914, S. 77
  2. Vgl. Walther Lammers, Das Hochmittelalter bis zur Schlacht von Bornhöved, Neumünster, 1981, S. 328
  3. Vieleicht handelte es sich bei der gesuchten Person aber auch um Doso de Helle vom ehemaligen Hof Helle im Gut Reuendorf. Sein Name wurde erstmals am 22. April 1283 in einer Urkunde mit e" also Dose geschrieben und erschien in der Zeugenliste hinter Otto de dosenrode. Doso de Helle gehörte das Dorf Dosenbek bei Preets. Vgl. hierzu: P. Hasse, Schleswig-Holstein-Lauenburgische Regesten und Urkunden, Neumünster, 1888, Bd. 2, Nr. 638 und Antje Schmitz, Die Orts- und Gewässernamen des Kreises Plön, Neumünster, 1986, S. 46
  4. P. Hasse, Schleswig-Holstein-Lauenburgische Regesten und Urkunden, Neumünster, 1888, Bd. 2, Nr. 248 u. vgl. auch Edzard Hermberg, Zur Geschichte des älteren holsteinischen Adels, Diss. Kiel, 1914, S. 49
  5. Vgl. Edzard Hermberg, Zur Geschichte des älteren holsteinischen Adels, Diss. Kiel, 1914, S. 33 - 37
  6. Vgl. E. Hoffmann, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, Neumünster, 1975, Bd. 100, S. 58
  7. J. K. M. Laurent, Die Chronik Arnolds von Lübeck, Berlin, 1853, VI 13, S. 241 - 24